Informationelle Selbstbestimmung: Unterschied zwischen den Versionen

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Das '''Recht auf informationelle Selbstbestimmung''' ist im bundesdeutschen Recht das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner [[Personenbezogene Daten|personenbezogenen Daten]] zu bestimmen. Es handelt sich dabei nach der Rechtsprechung des [http://www.bundesverfassungsgericht.de/ Bundesverfassungsgerichts] um ein [[Datenschutz]]-Grundrecht, das im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland nicht ausdrücklich erwähnt wird. Der Vorschlag, ein Datenschutz-Grundrecht in das Grundgesetz einzufügen, fand bisher nicht die erforderliche Mehrheit. Personenbezogene Daten sind jedoch nach Artikel 8 der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2010:083:0389:0403:DE:PDF Charta der Grundrechte der Europäischen Union] geschützt.
Das '''Recht auf informationelle Selbstbestimmung''' ist im bundesdeutschen Recht das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner [[Personenbezogene Daten|personenbezogenen Daten]] zu bestimmen. Es handelt sich dabei nach der Rechtsprechung des [http://www.bundesverfassungsgericht.de/ Bundesverfassungsgerichts] um ein [[Datenschutz]]-Grundrecht, das im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland nicht ausdrücklich erwähnt wird. Der Vorschlag, ein Datenschutz-Grundrecht in das Grundgesetz einzufügen, fand bisher nicht die erforderliche Mehrheit. Personenbezogene Daten sind jedoch nach Artikel 8 der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2010:083:0389:0403:DE:PDF Charta der Grundrechte der Europäischen Union] geschützt.


== Allgemeines ==
== Allgemeines ==
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Einschränkungen sind nur zulässig im überwiegenden Allgemeininteresse. Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die dem Gebot der Normenklarheit entsprechen muss.
Einschränkungen sind nur zulässig im überwiegenden Allgemeininteresse. Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die dem Gebot der Normenklarheit entsprechen muss.


Es wird differenziert zwischen Maßnahmen, die ohne oder gegen den Willen des Betroffenen vorgenommen werden, und solchen, die freiwillig erfolgen. Für erstere muss die gesetzliche Ermächtigung auch „bereichsspezifisch, präzise und amtshilfefest“ sein. (Volkszählungsurteil, BVerfGE|65|1 [46])
Es wird differenziert zwischen Maßnahmen, die ohne oder gegen den Willen des Betroffenen vorgenommen werden, und solchen, die freiwillig erfolgen. Für erstere muss die gesetzliche Ermächtigung auch „bereichsspezifisch, präzise und amtshilfefest“ sein. (Volkszählungsurteil, {{BVerfG|1 BvR 209/83|15.12.1983}})
 
Zudem kann man unterscheiden zwischen [[anonymisieren|anonymisierten]] Daten, die keinen Rückschluss auf den Betroffenen zulassen (z. B. für statistische Erhebungen), und zwischen Daten, die personalisierbar sind. Bei anonymisierten Daten ist die Zweckbindung gelockert, für Daten, die personalisierbar sind, gilt eine strenge Zweckbindung. Der Gesetzgeber muss Vorkehrungen treffen, um Datenmissbrauch zu verhindern (Verfahrensvorschriften, [[Datenschutzbeauftragter|Datenschutzbeauftragte]], …).


Zudem kann man unterscheiden zwischen [[Anonymität|anonymisierten]] Daten, die keinen Rückschluss auf den Betroffenen zulassen (z. B. für statistische Erhebungen), und zwischen Daten, die personalisierbar sind. Bei anonymisierten Daten ist die Zweckbindung gelockert, für Daten, die personalisierbar sind, gilt eine strenge Zweckbindung. Der Gesetzgeber muss Vorkehrungen treffen, um Datenmissbrauch zu verhindern (Verfahrensvorschriften, [[Datenschutzbeauftragter|Datenschutzbeauftragte]], …).


=== Kritik ===
=== Kritik ===
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Daraus ergibt sich folgende grundgesetzlich nicht gelöste Situation: Entweder ist Art. 2 Abs. 1 GG nicht gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“ einschränkbar, wovon auch die informationelle Selbstbestimmung betroffen wäre, oder aber Art. 2 Abs. 1 GG ist (ohne grundgesetzliche Ermächtigung) durch die entsprechende BVerfGE einschränkbar ausschließlich im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG. In diesem Falle würde jedes das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einschränkende einfache Gesetz den Gültigkeitsvoraussetzungen gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG – Zitiergebot – unterliegen. Demnach „muß das Gesetz das Grundrecht [hier Art. 2 Abs. 1 GG, Anm.] unter Angabe des Artikels nennen“. Im Gegensatz dazu lässt die aktuelle Praxis der Gesetzgebung und Rechtsprechung einerseits die nicht durch Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG legitimierte einfachgesetzliche Einschränkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zu und verweist gleichzeitig auf dessen Charakter seiner verfassungsimmanenten Schranken, durch welche ein das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, also Art. 2 Abs. 1 GG, einschränkendes einfaches Gesetz nicht der Erfüllung der Gültigkeitsvoraussetzung für derartige Gesetze gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG – Zitiergebot – unterliegen würde. Daraus ergibt sich unweigerlich die Praxis der Einschränkung von Grundrechten ohne grundgesetzliche Legitimation unter Umgehung der dafür erfüllt sein müssenden Gültigkeitsvoraussetzungen, deren Nichterfüllung gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG – Zitiergebot – die Nichtigkeit des betreffenden Gesetzes zur Folge hat.
Daraus ergibt sich folgende grundgesetzlich nicht gelöste Situation: Entweder ist Art. 2 Abs. 1 GG nicht gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“ einschränkbar, wovon auch die informationelle Selbstbestimmung betroffen wäre, oder aber Art. 2 Abs. 1 GG ist (ohne grundgesetzliche Ermächtigung) durch die entsprechende BVerfGE einschränkbar ausschließlich im Sinne des Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG. In diesem Falle würde jedes das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einschränkende einfache Gesetz den Gültigkeitsvoraussetzungen gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG – Zitiergebot – unterliegen. Demnach „muß das Gesetz das Grundrecht [hier Art. 2 Abs. 1 GG, Anm.] unter Angabe des Artikels nennen“. Im Gegensatz dazu lässt die aktuelle Praxis der Gesetzgebung und Rechtsprechung einerseits die nicht durch Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG legitimierte einfachgesetzliche Einschränkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zu und verweist gleichzeitig auf dessen Charakter seiner verfassungsimmanenten Schranken, durch welche ein das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, also Art. 2 Abs. 1 GG, einschränkendes einfaches Gesetz nicht der Erfüllung der Gültigkeitsvoraussetzung für derartige Gesetze gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG – Zitiergebot – unterliegen würde. Daraus ergibt sich unweigerlich die Praxis der Einschränkung von Grundrechten ohne grundgesetzliche Legitimation unter Umgehung der dafür erfüllt sein müssenden Gültigkeitsvoraussetzungen, deren Nichterfüllung gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG – Zitiergebot – die Nichtigkeit des betreffenden Gesetzes zur Folge hat.


== Auswirkungen ==
== Auswirkungen ==
Das informationelle Selbstbestimmungsrecht wurde die Grundlage für die bestehenden Datenschutzgesetze wie das [[Bundesdatenschutzgesetz]] oder die [[Landesdatenschutzgesetz]]e und beeinflusste auch die Entwicklung der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31995L0046:de:html Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie)].
Das informationelle Selbstbestimmungsrecht wurde die Grundlage für die bestehenden Datenschutzgesetze wie das [[Bundesdatenschutzgesetz]] oder die [[Landesdatenschutzgesetze]] und beeinflusste auch die Entwicklung der [http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31995L0046:de:html Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie)].


Auch in jüngerer Zeit hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung eine große Rolle gespielt. So wurde die [[Rasterfahndung]] in Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig erklärt;<ref>[http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20060404_1bvr051802.html BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 4. April 2006, 1 BvR 518/02 – Rasterfahndung –], {{BVerfGE|115|320}}.</ref> die §§ 100c und 100d StPO (der sogenannte Große Lauschangriff) mussten um einen Straftatenkatalog und um explizite Löschungsvorschriften ergänzt werden ({{BVerfGE|109|279}}).
Auch in jüngerer Zeit hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung eine große Rolle gespielt. So wurde die [[Rasterfahndung]] in Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig erklärt;<ref>[http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20060404_1bvr051802.html BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 4. April 2006, 1 BvR 518/02 – Rasterfahndung –], {{BVerfGE|115|320}}.</ref> die §§ 100c und 100d StPO (der sogenannte Große Lauschangriff) mussten um einen Straftatenkatalog und um explizite Löschungsvorschriften ergänzt werden ({{BVerfGE|109|279}}).
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[[Kategorie:Begriffe]]
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